Pferde in der Gemeinschaft: Die Herausforderungen der Gruppenhaltung
Gruppenhaltung um jeden Preis?

Pferde in der Gemeinschaft: Die Herausforderungen der Gruppenhaltung

Ursprüngliche Lebensform des Pferdes Viele hunderttausend Jahre lebten Pferde als gesellige Pflanzenfresser in der freien Steppe, denn grundsätzlich sind alle Equiden (pferdeartige) von Natur aus Herdentiere, und demnach auch zur Gruppenhaltung geeignet. Ihr angeborenes Sozialverhalten mit ihrer nonverbalen Kommunikation in Form von Gestik und Mimik sowie ihre natürliche Individualdistanz zueinander half ihm, sich in die Herde zu integrieren und der Herdenverband sicherte ihm das Überleben.

Heutige Haltung und Nutzung:

Allerdings hat sich seit Ihrer Domestizierung vor mehr als 5000 Jahren ihr Lebensraum stark verändert. Aufgrund der Nutzung durch den Menschen ist dem Pferd die ursprüngliche Haltungsform innerhalb der Gruppe auf einer großen freien Fläche nur noch in den seltensten Fällen möglich. Damit sie dem Menschen jederzeit zur Verfügung stehen, werden sie vielmehr in der Regel einzeln, oder bestenfalls in kleinen Gruppen gehalten. Seit etwa Zwei Jahrzehnten wurde die Gruppenhaltung im Offen- bzw. Aktivstall salonfähig. Diese Art der Pferdehaltung bietet vor allen den oft unterbeschäftigten Freizeitpferden ein abwechslungs- und pferdegerechteres Leben. Oft profitieren auch Sportpferde von einem Leben in der Gruppe.

Gefahren und Probleme in der Gruppenhaltung:

Leider können sich die wenigsten Pferde ihre Herdenmitglieder in einer Gruppenhaltung -anders wie Pferd die mit Ihren Familienmitglieder in der freien Wildbahn zusammenleben- aussuchen. Hier werden die Pferdegruppen von den Pferdebesitzern oder Stallbetreibern zusammen gestellt. Durch die künstliche Bildung einer Gruppe entsteht oft ein nicht zu unterschätzenden Gefahrenpotential. Oft ist gerade bei älteren Pferden, die lange Zeit in Einzelboxen gehalten wurden, das normale Sozialverhalten verkümmert und muss von den Tieren erst wieder erlernt werden. Als Sachverständiger für Pferde bekomme ich sehr häufig Gutachtenaufträge, bei denen es um zum Teil schweren Verletzungen (auch oft mit Todesfolge) durch Tritte einzelner Pferde innerhalb der Gruppe kommt. Diese werden in den meisten Fällen durch Rangordnungskämpfen und / oder Futterneid ausgelöst. Deshalb ist es wichtig, möglichst eine homogene Herde mit gleichartigen Pferden im Hinblick auf Geschlecht, Alter, Temperament (Aktivitätslevel)und Gesundheitszustand zusammen zu stellen. Innerhalb der Gruppe soll ein ständiger Wechsel der einzelnen Tiere vermieden werden.

Handlungsempfehlungen zur erfolgreichen Gruppenhaltung

Neben den großzügigen Stallungen und Paddocks sollen Gruppenlauf- und Aktivställe so konzipiert werden, dass für alle Pferde ausreichend viele Ruheplätze und Fressmöglichkeiten vorhanden sind. Ebenfalls müssen Separierungsmöglichkeiten für einzelne Tiere vorhanden sein. Auf feste Fütterungszeiten ist ebenso viel Wert zu legen, wie auf die Möglichkeit, dass jedes Pferd seine Individualdistanz einhalten kann.

Integrieren neuer Pferde in die bestehende Herde

Bei der Integration neuer Pferde ist das Konfliktrisiko immer vorhanden. Deshalb das Eingewöhnen von einzelnen Pferden in eine bestehende Herde in mehreren Phasen stattfinden. Zunächst sollte ein Geruchs- und Sichtkontakt zwischen den Tieren außerhalb des Stalles / der Weide hergestellt werden. Im Anschluss soll das zu integrierende Pferd ein separates Stück Wiese unmittelbar neben der Herde abgezäunt bekommen. Erst wenn diese Phase ohne Aufregung von allen Pferden akzeptiert wird, kann der Neuling nach und nach unter Beobachtung mit den einzelnen Mitgliedern der Gruppe zusammengebracht werden. Wenn die notwendige Rangordnung zwischen den Pferden geklärt ist, kann das neue Pferd sukzessive in die Gruppe integriert werden.

Fazit:

Das ursprüngliche Herdentier Pferd ist aufgrund dass es sich seit seiner Domestikation weitgehend in menschlicher Obhut in Einzelhaltung befindet, in der heutigen Zeit nicht mehr uneingeschränkt in einer Gruppe mit anderen Pferde zu halten. Vielen Pferden fehlt schlicht das nötige Sozialverhalten, das ein reibungsloses Zusammenleben in einer Pferdeherde ermöglicht. Vor allem für ältere Pferde, die zeitlebens in Einzelboxen gehalten wurden ist es schwer, sich in einer Gruppe zurecht zu finden. Die Umstellung sollte nur unter fachlich fundierter Leitung und vorsichtiger Integration erfolgen.