Ist der klassische Reit- und Fahrverein am Ende?

Reitvereine: Neuer Schwung in alten Mauern

Unser Reitverein – für Pferdefreunde verbinden sich damit viele schöne Erinnerungen an die erste Zeit im Sattel. Vereine, eine scheinbar urdeutsche Erfindung, haben gerade im Sport eine wichtige Funktion. Es sind niedrigschwellige Zweckverbände, die nicht auf wirtschaftlichen Profit ausgelegt sind, sondern Menschen mit gleichen Interessen zusammenführen. Dieser Zusammenschluss erst ermöglicht, was dem Einzelnen oft verwehrt bleibt: Gemeinsam können Ziele erreicht werden, die alleine nicht zu stemmen sind.

Die Gemeinschaft trägt und stützt, reißt mit und ermöglicht. Vereine führen zusammen, was ohne sie getrennt bliebe und haben so auch eine wichtige Rolle etwa bei der Inklusion oder der Integration.

Vereine: der beste Weg in den Sattel

Reitvereine Reitanfänger SchulpferdeKein Wunder also, dass es heute in Deutschland rund 600.00 Vereine gibt und Sportvereine besonders beliebt sind – auch die klassischen Reit- und Fahrvereine gehören dazu. Man schätzt, dass in Deutschland etwa 600.000 Menschen in Pferdesportvereinen ehrenamtlich aktiv sind. Eine entsprechende Suche ergibt 7.220 bei der FN (www.pferd-aktuell.de) aufrufbare Vereine, die eine jährliche Wertschöpfung von rund 210 Mio. Euro erwirtschaften. Beeindruckende Zahlen!

Was aber der eigene Reitverein für den Pferdefreund bedeutet, lässt sich in Zahlen und Daten kaum ausdrücken, denn gerade im Pferdesport sind Vereine unersetzlich. Während sich auch ohne Fußballverein zur Not im Hinterhof prima kicken lässt, im Weiher vor der Stadt auch ohne Vereinsmitgliedschaft geschwommen werden kann und nicht nur der Schachverein, sondern vielleicht die Schach-AG der Schule die Ausübung dieser kopflastigen Sportart ermöglicht und fördert, sind die Hürden beim Einstieg in den Pferdesport ungleich höher und vom Einzelnen nicht zu überwinden. Woher sollte ein Reitanfänger denn auch ein Pferd nehmen? Einen Stall samt Infrastruktur, wenigstens einen kleinen Reitplatz, einen Round Pen? Wen es in den Sattel zieht, den lockt demnach der Reitverein mit freundlichen Schulpferden, einer gut ausgestatteten Anlage, bezahlbarem Reitunterricht und netter Gemeinschaft. Während kommerzielle Pferdebetriebe immer ein Auge auf die Wirtschaftlichkeit ihres Tuns richten müssen, sind eingetragene Reitvereine dem Ziel der Gemeinnützigkeit verpflichtet und erwirtschaften keinen Profit. Da die Vereinsmitglieder zudem nicht nur Mitgliedsgebühren entrichten, sondern den Verein traditionsgemäß auch durch Arbeitsstunden unterstützen, werden für dessen Angebote meist geringere Kosten fällig. Doch der Reitverein steckt heute oft in einer existentiellen Krise…

Der klassische Reit- und Fahrverein – am Ende?

Die Anlagen vieler Pferdesportvereine stammen noch aus den 1960er oder 1970er Jahren und sind im Eigentum der jeweiligen Gemeinde. Nicht selten weisen sie einen nicht unerheblichen Renovierungsstau auf und entsprechen zudem oft nicht mehr den Anforderungen an eine moderne, pferdegerechte Haltung der hier eingestellten Schul- und Privatpferde. Die früher üblichen, dunklen und oft feuchten Boxenställe, staubigen Reithallen und bestenfalls winzigen Ausläufe sind bereits vielerorts hellen, luftigen Stallungen, offenen Hallen und großzügiger geschnittenen Gemeinschaftspaddocks und –weiden gewichen – aber eben nicht überall. Den Gemeinden fehlt es schlicht an finanziellen Mitteln, um solche größeren Modernisierungen zu stemmen, auch die Vereine sind wirtschaftlich nicht dazu in der Lage und hinzu kommt, dass bei solchen Vorhaben nur ein geringer Anteil in Eigenleistung erbracht werden kann, wenn überhaupt. Hindernisstangen streichen, Zaunmaterial ersetzen, Isolatoren eindrehen und die Fenster der Reithalle putzen – vieles kann durch Arbeitsstunden abgedeckt werden. Aber Mauerdurchbrüche, Estricharbeiten und Reitplatzbau? Eher nicht…

 

Ulrich Schmelzer

 

Ulrich Schmelzer | H - C - S Unternehmensberatung f. Pferdebetriebe

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